Die gigantische Darstellung des Sonnengottes Helios, erbaut um 280 v. Chr. in der Stadt Rhodos, zählt zu den berühmtesten antiken Skulpturen. Ihre genauen Maße und Lage bleiben seit fast zwei Jahrtausenden ein Rätsel. Sie gehört zu den sieben Weltwundern.
Rhodos, sowohl als Stadt als auch Insel bekannt, war oft Zankapfel zwischen den Griechen und ihren Gegnern. An diesen strategisch günstigen Küsten wurden Handelshäfen errichtet, um Schiffe zu empfangen und Waren ins Landesinnere zu transportieren. Die Einheimischen verteidigten diesen begehrten Ort stets.
Im Jahr 305 v. Chr. belagerte Demetrius von Makedonien, Sohn des Antigonos des Einäugigen, mit einem Heer von 40.000 Soldaten Rhodos. Die Inselbewohner verteidigten sich ein Jahr lang tapfer und konnten nicht erobert werden. Demetrius zog sich schließlich zurück. Zum Gedenken an diesen bedeutenden Ereignis und zum Lob des Sonnengottes Helios, der angeblich ihre Heimat beschützte, errichteten die Rhodier eine monumentale Statue.
Der gewaltige Koloss wurde um 292 v. Chr. in Angriff genommen und über einen Zeitraum von 12 Jahren errichtet. Der Lindier Bildhauer Chares, ein Schüler des berühmten Lysipp, erhielt den Auftrag für dieses Monument. Chares hatte bereits Erfahrung mit großen Skulpturen. Ursprünglich war geplant, dass das Fundament des Koloss etwa 15 bis 18 Meter hoch sein sollte. Die Bürger der Stadt kamen für die Kosten auf und finanzierten das Projekt selbst.
Während der Errichtung entschied man, die Statue zu verdoppeln, wofür der Bildhauer erneut bezahlt wurde. Doch das Geld reichte nicht einmal für ein Drittel der benötigten Materialien. Hares musste falsch kalkuliert haben, denn bald lieh er sich von Verwandten und Freunden Geld. Nach 12 Jahren Bauzeit enthüllte er sein Meisterwerk: eine gigantische Darstellung des Sonnengottes Helios, dessen Haut aus Messing- oder vielleicht Bronzestreifen bestand. Mit Ton ausgefüllt und durchsetzt mit Eisen und Stein, ragte der Koloss 32 bis 33 Meter in die Höhe.
Der Sockel, auf dem das Standbild ruhte, maß mindestens 18 Meter im Durchmesser. Es gibt unterschiedliche Berichte über seine Form — manche sagen, er war rund, andere behaupten, er hatte acht Ecken. Die Mehrzahl der Quellen ist sich jedoch einig, dass er aus weißem Marmor gefertigt war. Was die Statue selbst anbelangt, so trug Helios, gestaltet von Chares, einen Kranz auf dem Haupt und eine seiner Hände war zur Stirn erhoben.
Ein Erdbeben im Jahr 226 v. Chr. verwüstete Rhodos und ließ den Koloss zu Boden stürzen. Seine wahre Größe wurde erst dann erkennbar, da selbst die Daumen der Figur breiter waren als andere Statuen. Ptolemäus III. bot an, den Koloss wieder aufzubauen, doch ein Orakelspruch aus Delphi, der einen Zorn des Sonnengottes Helios suggerierte, bewog die Rhodier davon abzusehen.
Lange glaubte man, dass der Koloss von Rhodos den Hafen von Mandraki überspannte. Forschungen widerlegen dies jedoch. Gemäß Strabon blieb die zerstörte Statue mehr als 800 Jahre auf dem Boden liegen, was Reisende anzog, die ihre enormen Ausmaße bestaunten. Somit stand der Koloss nicht am Hafeneingang, sondern anderswo auf Rhodos.
Es gibt keine historischen Belege dafür, dass der Koloss von Rhodos den Hafenzugang für Schiffe blockierte, da er nicht über dem Meer errichtet wurde. Chares von Lindos hätte das Monument kaum inmitten des Hafens aufbauen können, da bereits für die Konstruktion Erdmassen aufgeschüttet werden mussten. Experten bezweifeln zudem, dass eine Statue auf Marmorbasen im Wasser hätte stehen können, denn die Spannweite der Beine und das Gewicht des Kolosses hätten dies nicht zugelassen; er wäre umgestürzt. Daher ist davon auszugehen, dass der Koloss an Land und nicht im Hafen stand.
Es gibt verschiedene Meinungen darüber, wo genau der Koloss von Rhodos errichtet wurde. Einige Forscher meinen, er stand an der Stelle einer alten Burg, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war, oder in deren unmittelbarer Nähe, da dort gekrümmte Marmorblöcke entdeckt wurden. Andere vermuten, dass das Monument im Stadtzentrum nahe dem Helios-Heiligtum errichtet wurde, was sinnvoll erscheint, denn die Griechen pflegten oft, ihre Gottheiten durch derartige Monumente neben ihren Tempeln zu ehren.
Ein jüdischer Händler aus Edessa benötigte im Jahr 653 ganze 900 Kamele, um die eingeschmolzene Statue von der Insel zu transportieren. Der Koloss von Rhodos war ein Freiheitssymbol, ähnlich der Freiheitsstatue in den USA. Nach Fertigstellung des Kolosses soll der Bildhauer Chares aufgrund seiner Schulden Suizid begangen haben. 2008 gab es Pläne für eine neue Koloss-Statue in der Stadt Rhodos, diese scheiterten jedoch an Uneinigkeit über den Standort des Originals und blieben nur Theorie.
Sie können das Originaldenkmal nicht mehr erblicken, da es nicht erhalten ist. Dennoch ist es möglich, sich einen Eindruck vom einstigen Standort zu verschaffen. Wenn Sie in den Hafen Mandraki kommen, der sich an den Mauern der Altstadt befindet, können Sie die Stelle erkunden. Dort, wo heute zwei Hirschstatuen die Szenerie zieren, soll einst der Koloss gestanden haben.
